Abschied von der Führungsrolle
Im Wettbewerb um Talente punkten Unternehmen mit attraktiven Fachlaufbahnen als Alternative zur Führungskarriere
In den letzten Jahren sind in den Unternehmen die Hierarchien stark abgeflacht worden. Zudem finden häufig Arbeitsprozesse nur noch zeitlich begrenzt in Projekten statt. Die Folge: Es gibt tendenziell weniger Führungspositionen, die die Unternehmen ihren Nachwuchskräften anbieten können. Hinzu kommt, dass die anspruchsvolle Rolle des Führens für viele Absolventen und Potenzialträger längst nicht mehr Karriereziel Nummer eins ist.
Bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG, in der bereits seit 20 Jahren die Fachlaufbahn besteht, bewerben sich inzwischen sogar mehr Mitarbeiter auf die vakante Position eines Fachberaters als auf die eines Teamleiters. Die Funktion des Fachberaters bildet bei der Bausparkasse die erste von drei Stufen der Fachlaufbahn. Ihr folgen die Stufen des Projektmangers und Bereichsberaters. Ein Wechsel zwischen Fach- und Führungslaufbahn ist möglich. Bernadette Imkamp war bis Ende 2011 noch Fachberaterin für Personalkonzepte und -strategie bei der Schwäbisch Hall AG. Heute ist sie dort Abteilungsleiterin im Personalbereich und trägt somit Führungsverantwortung.
Bei der Salzgitter Flachstahl GmbH ist die der Führungslaufbahn gleichgestellte Expertenlaufbahn, die aus einer Kompetenz- und einer Projektlaufbahn besteht, nicht ganz so alt, wie bei der Schwäbisch Hall AG. 2004 wurde die Expertenlaufbahn bei Salzgitter Flachstahl eingeführt, weil insbesondere Ingenieure aus fachlichem Interesse in das Unternehmen kommen und nicht unbedingt, um Mitarbeiter zu führen. Mit der Fachlaufbahn sollen der Bedeutung von Experten sichtbar Rechnung getragen und fachinteressierte Potenzialträger gebunden werden.
Bei Salzgitter Flachstahl werden die Experten auf der untersten Karrierestufe Leiter eines bestimmten Kompetenzfeldes (bspw. Rohstoffeinkauf) oder Leiter im Projektmanagement und bilden im Vergleich mit der Führungslaufbahn das unmittelbare Pendant zu einem Leiter eines Verantwortungsbereichs mit einer Führungspanne zwischen 10 und 300 Mitarbeitern. Bei der Gestaltung von Laufbahnen wird als ein Muss gesehen, Experten und Führungskräfte gleichwertig zu behandeln. Bei Salzgitter Flachstahl verdienen daher die Experten auf ein und derselben Laufbahnstufe nicht nur ebenso viel, wie die mit ihnen vergleichbaren Führungskräfte. Auch bei Dienstwagen, Titel, Büroausstattung und nicht zuletzt bei der Personalentwicklung sind sie ihnen gleichgestellt.
Um den Ansatz der Fachkarriere nicht zu verwässern, sind zwei Dinge zu beachten. Zum einen darf die Fachlaufbahn nicht zum Abschiebebahnhof für schwache Führungskräfte werden. Zum anderen gilt es, die einzelnen Expertenpositionen aus sachlichen, unternehmensstrategischen Gründen heraus zu etablieren und nicht aus organisationspolitischen. Um den Ansatz verwässernde Entwicklungen zu verhindern, sollte daher in einem durchsichtigen Verfahren definiert werden, welche Fachposition aus strategischen Gründen erforderlich ist (oder nicht mehr erforderlich ist) und welche Anforderungen ein Experte erfüllen muss, um die Position erfolgreich ausführen zu können.
„Die Anzahl ist klar begrenzt und wird durch den Unternehmensbedarf bestimmt“, sagt Sonja Kokoschka, Human Capital Managerin bei der E-Plus Mobilfunk GmbH & Co. KG (Düsseldorf), zum Vorgehen in ihrem Unternehmen. Die Experten- und Projektpositionen, für die es drei Laufbahnstufen (Master, Principal Expert, Senior Principal Expert) gibt, könnten je nach Bedarf auch wieder wegfallen. In der Praxis werde dieser Schritt aber auch in ihrem Unternehmen noch „gescheut“, räumt Kokoschka ein. Die Inhaber der Experten- und Projektpositionen sind den Führungskräften nicht nur in puncto Gehalt, Altersversorgung, Boni und Dienstwagen gleichgestellt. Sie erhalten ebenso wie diese strategierelevante Information und nehmen an den Führungskräfteforen teil.
Zur Literatur empfohlen:
Michael E. Domsch/ Désirée H. Ladwig (Hg.): Fachlaufbahnen. Alternative Karrierewege für Spezialisten schaffen. Luchterhand, 2011, 268 S., € 39,– ISBN 3-472-07854-8